Mittwoch, 29. April 2009

Soziale Unruhen? - No Way!

Wofgang Münchau sieht soziale Unruhen auf uns zukommen, vor allem, weil der größte Teil der Bevölkerung meine, von dem wirtschaftlichen Kollaps auch weiterhin nichts bemerken zu müssen:

Vielleicht ist es der wirtschaftliche Exzeptionalismus, der seit Gründung der Bundesrepublik Menschen zu dem Fehlurteil verleitet, man sei mit der sozialen Marktwirtschaft besser aufgestellt als andere mit ihrer unsozialen Marktwirtschaft. Dieser Ausnahmeglaube schürt auch die falsche Annahme, die deutschen Banken seien nicht so betroffen wie Banken anderswo. Es hat sich mittlerweile herausgestellt, dass deutsche Banken relativ zu ihrer Größe wahrscheinlich mehr Schrottpapiere in ihren Bilanzen haben als amerikanische.

Vielleicht ist es auch der zu gut funktionierende Sozialstaat mit seinen Regelungen zur Kurzarbeit, durch die zumindest kurzfristig kein Leidensdruck aufkommt. Deutschland steht selbst bei starken Konjunktureinbrüchen gut da, was die soziale Absicherung betrifft. Das ändert sich aber, wenn der Einbruch länger als normal dauert.

Es werde die Bevölerung daher unvorbereitet treffen. Gehen wir wirklich einmal davon aus, daß ab 2010 fünf Jahre Stagnation sein werden, die Arbeitslosigkeit auf offiziell 6,5 Mio Erwerbslose ansteigt und sich länger auf höheren Niveau hält. Sind deshalb soziale Unruhen von der Gestalt, wie wir sie in Ländern wie Griechenland in jüngerer Zeit beobachten konnten, und wie sie außer Münchau auch Norbert Walter und Michael Sommer befürchten, realistisch?

Hier lassen die Bürger ihre Aggressionen auf der Autobahn raus. Wenn sie sich das nicht mehr leisten können, verprügeln sie ihre Kinder, ihre Frauen. Und täglich haben sie auf der Straße genug zu motzen und zu pöbeln. In der Misere wird sich das gewiß steigern. Aber auf Proteste in großem Stil mit gwaltsamen Ausschreitungen werden wir lange warten.

Sonntag, 26. April 2009

Nur Israel würde helfen

In einem traurig stimmenden, sehr beachtlichen Gespräch, das Hermann L. Gremliza mit Michel Friedman für konkret 05/2009 geführt hat, und in dem sich Friedman erstaunlich kritisch und nahezu resignativ über dieses Landes äußert, kommen sie auf die fürchterliche hart-aber-fair-Sendung vom Anfang des Jahres zu sprechen. Norbert Blüm hatte in ihr Friedman mehrfach "expatriiert und zwangsisraelisiert"(Gremliza).

Später in dem Gespräch zitiert Friedman Ignatz Bubis aus einem Interview, das er Anfang der 1990er Jahre für die ARD mit dem damaligen Zentralratsvorsitzenden führte.

"(...)und ich habe ihn gefragt: Herr Bubis, wenn dieses Rechte, Aggressive immer mehr und mehr wird - was machen sie da? Und da hat er etwas geantwortet, was mich bis heute sehr beeindruckt: >wissen sie was, Herr Friedman? Wir Juden gehen schlimmstenfalls nach Israel. Die Türken gehen in die Türkei. Aber wo gehen die Deutschen hin?<"

Der unbedarfte Leser würde, vermute ich, an dieser Stelle sofort fragen: Wieso grenzt er sich ab? Bubis und Friedman sind doch Deutsche? Das ist problematisch, weil nach meiner Auffassung nicht oft genug erklärt wird, welchen Stellwert die jüdische Republik für jeden Juden auf dieser Welt hat. Bubis freilich hatte recht: Nur der israelische Staat wird letzten Endes helfen, wenn der Antisemtismus wieder mörderisch wird. Anzunehmen ist, daß ohne Israel heute weitaus weniger Juden in Deutschland lebten. Das bedeutet gleichzeitig aber nicht, daß Juden keine loyalen deutschen (und US-amerikanischen, russischen etc.) Staatsbürger wären.

Sonntag, 19. April 2009

Deutschland boykottiert UN-Konferenz

Vor acht Monaten wies ich auf den (auch von mir unterzeichneten) Appell an die Mitglieder der EU, insbesondere Deutschland, hin, die antisemitische UN-Veranstaltung Durban II zu boykottieren.

Es ist geschafft! Deutschland spart sich die Reisekosten.

Freitag, 17. April 2009

Wir sind alle Palästinenser

Schikora rezensiert Tilman Tarachs Buch Der ewige Sündenbock:

Die Lektüre von Tarachs Buch ist jedem zu empfehlen, der an einer kompakten Einführung in die Motivation einer pseudo-linken „Israel-Kritik“ interessiert ist, deren antimodernistischen, antiwestlichen Kern der Autor schonungslos offen legt. Bei der Parteinahme nicht nur „linker“ Feinde Israels für islamische „Freiheitskämpfer“, welche – keineswegs nur in „Palästina“ – der „eigenen“ Jugend keine anderen Perspektiven gesellschaftlicher Organisation zu bieten haben, als die der Vorbereitung auf Suizid-Attentate, handelt es sich nicht um eine verfehlte Einschätzung irgendeines internationalen Konflikts, sondern um ein offenes Bekenntnis zur Barbarei.

Never again

Andrew Sullivan über die veröffentlichten Memos und die Entscheidung der Obama-Regierung, die Verantwortlichen nicht strafrechtlich verfolgen zu wollen.

Das entspricht in etwa meiner Sicht der Dinge (wobei ich die Phrase yes: it can happen here für unangebracht halte).
Was aber, wenn die Angst und die Wut der ersten Monate und Jahre nach 09/11 in das Bewußtsein unserer heute amtierenden Entscheidungsträger zurückkehren? In vielleicht noch stärkerer Form?

Mittwoch, 15. April 2009

Gay Marriage = Religious Freedom

Wenn schon diskriminieren, dann bitte nicht mit Steuergeldern.

hat tip: Will Wilkinson via Jason Kuznicki

Dienstag, 14. April 2009

Woolworth juckt lange schon nicht mehr

Wirklich überraschend ist die Nachricht , daß Woolworth Deutschland wohl doch nicht von der Krise profitieren kann, keineswegs. Wer von denen, die heute verstärkt Discounter aufsuchen, um zu sparen, würde seine Einkäufe ausgerechnet in Filialen von Woolworth verlagern? Die Kette bietet keine Artikel, mit denen der Verbraucher eine größere Auswahl von Konsumgegenständen substituieren könnte. Schnäppchenjagd machte man dort um der Schnäppchen willen ohne besondere Zwänge.
Die seit Jahren sinkenden Umsätze waren dem Management, das im Februar noch in Deutschland und Österreich weitere Filialen eröffnen wollte, nie wirklich Anlaß für Neuerungen. Beim Besuch der Läden überkam einen das Gefühl, das auch in einem Karstadt schwer loszuwerden ist: Es könnte noch 1985 sein.
Mit dem Aufkommen zahlreicher Resterampen hat der Schlunds in den veralteten Woolworths seinen Reiz verloren. In der Warengesellschaft muß schließlich auch noch das an und für sich wertloseste Zeugs irgendeinen Anschein erwecken. Wenn es den verliert, wird auch das Billige daran billig und lockt nicht mehr.

Mittwoch, 8. April 2009

Greise Wirtschaftsweise

Ezra Klein und Tyler Cowen entdecken, wie asbach-uralt die meisten bekannten Ökonomen werden:

Friedman (94)
Mises (92)
John Kenneth Galbraith (94)
Hayek (93)
Leontief (93)

Paul Samuelson wird bald 94 und Kenneth Arrow ist 84. Die Liste lässt sich fortsetzen. Für die Ökonomen der alten Schule wie Smith, Ricardo, Say und Marx galt die Maxime noch nicht.
Wo die alle ihren Methusalem-Kompott fressen und ob sie damit wirklich einen Nutzen maximieren, weiß ich nicht. Mich erinnert dieser eindrucksvolle Umstand nur sofort an eine gänzlich andere Spezies, auf die selbiges zutrifft, und der Leser dürfte wissen, welche ich meine.

Montag, 6. April 2009

Der Frauenfigurenbildner



Dieter Dorn inszeniert das neue Stück von Botho Strauß am Münchener Residenztheater und Stadelmeier widmet der Aufführung fast die ganze erste Seite im Feuilleton der Samstag-FAZ. Denn Uraufführungen von Botho Strauß sind, da stimme ich dem Theaterchef der Zeitung für Deutschland zu, "die Feste des Theaters." Jedenfalls des Theaters dieser Republik. Und kein Intendant passt so gut zu den Werken von Strauß wie Luc Bondy und Dieter Dorn. Als Dorn 1996 Straußens "Ithaka" in München mit Bruno Ganz in der Rolle des Odysseus in Szene setzte, erlebte ich eine meiner ersten Sternstunden als Zuschauer.

"Leichtes Spiel. Neun Personen einer Frau" ist ein Stationendrama, das formal an Groß und Klein aus dem Jahr 1978 erinnert. Neun Varianten einer Frau, alle tragen eine Abwandlung des Namens Katharina (Käthchen, Kitty usw.), bewegen sich in den einzelnen Abschnitten an der Frage nach ihrem Geschlecht entlang. Gegenüber allen Männern, auf die sie treffen, steht ihr Weiblich-Wesentliches, ihr Innerstes, ihre ganze Person auf dem Spiel.

Das Thema der Paar-Unmöglichkeit, die Frage, warum das eine nicht voll ins andere übergeht, warum Mann und Frau in ihren Beziehungen leblos steckbleiben, ist das Lebensthema von Botho Strauß. Skiziiert hat er das Entschiedende schon in dem Gedicht "Unüberwindliche Nähe" das Mitte der siebziger Jahre in der Zeitschrift Akzente erschien. Und alles dazu gesagt hat er in dem gelungenen und, wie ich finde, seinem schönsten Prosaband Paare, Passanten (1981). Eigentlich liegt der Einwand nahe, daß die ewigen Beziehungskisten auf die Dauer nerven.
In Berührung gekommen bin ich mit Botho Strauß, als er in Verruf geriet. Nachdem der Essay "Anschwellender Bocksgesang" im Spiegel vom 8. Februar 1993 erschienen war, tobte eine monatelange Debatte im Feuilleton, die Ende des Jahres 94 neu belebt wurde, weil die Langversion des antiaufklärerischen Pamphlets in einem rechtskonservativen Reader aus dem Ullstein-Verlag abgedruckt wurde (eine strukturell veränderte Version erschien übrigens 1999 in dem Essayband "Der Aufstand gegen die sekundäre Welt.") Man war es in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung noch nicht gewöhnt, daß einer ihrer Lieblinge so unverfroren reaktionär daherschrieb.

Seit dem Besuch einer Inszenierung vom "Gleichgewicht" am Mannheimer Nationaltheater 1994 und der Lektüre von Paare, Passanten ließ mich der Autor dennoch nicht mehr los. Mit dem Erzähler und Essayisten konnte ich mich nie anfreunden, sieht man einmal von dem zuletzt genannten Buch ab. Rumor (1980) und Kongreß (1986) waren unlesbar. In Wohnen Dämmern Lügen (1994), dessen Titel dem Heideggerschen "Bauen Wohnen Denken" entlehnt ist, und die Fehler des Kopisten (1997) werden einige Figuren meisterhaft beschrieben, aber die immer wieder mischt er in einige der Szenen nicht auszuhaltende Tiraden. Und mit dem sprachlichen Schwulst wurde es im neuen Jahrtausend immer schlimmer. Mikado (2006) und die "Bewußtseinsnovelle" Die Unbeholfenen sind ein einziger illiterater Mumpitz.

Nichtsdestotrotz ist Strauß für mich ein guter Dramatiker geblieben, der es versteht, uns immer wieder von neuem dazu zu bringen, über Vereinzelung und Gesellschaft und den Untergrund der Beziehungsgrauen nachzudenken. Leichtes Spiel ist auch eine Subsumtion seiner älteren Stücke.
Stadelmeier beendet seine Kritik mit einem Blick auf das, was dem Zuschauer schließlich wie immer bleibt:
Es ist die letzte Frage, die Käthchen, das späte Mädchen, sich und der Welt stellt: "Ich sagte: Utopie? Gibt´s zwischen dir und mir nicht Utopie genug?" Wenn das Du aber fehlt, dann muss das "Ich" ganz allein Utopie sein. Diese Utopie hier ist weiblich. Botho Strauß ist ihr traurig lächelnder Prophet. Dieter dorn aber ihr freundlich lächelnder Prediger.

Die Inszenierung dürfte wieder eine Fahrt nach München wert sein.

Samstag, 4. April 2009

Schluß mit der Abwrackprämie


Die Abwrackprämie bis Ende des Jahres verlängern zu wollen, ist irrsinnig. Nicht zu bestreiten ist, daß sie bis dato ein riesiger Erfolg genannt werden muß. Die Inlandsnachfrage wurde kräftig belebt, sehr zur Freude vor allem von Opel und VW. Im März sind 400 000 Autos neu zugelassen worden, so viele in einem Monat, wie seit 17 Jahren nicht mehr. Warum stellt die Große Koalition dies auf der einen Seite nicht viel mehr in den Vordergrund, und warum will sie auf der anderen Seite die Subvention ohne mehr oder weniger stillschweigend nächste Woche zementieren? Letzteres nämlich wäre fatal.

Zunächst treibt die Prämie, weil alle Angst haben, irgendwas zu verpassen, die Autokäufer zu irrationalem Verhalten an, wie Zettel es so schön beschreibt. Manche überprüfen nicht mal, ob ihr alter Wagen nicht eigentlich mehr wert als 2500 Euro ist. Außerdem werden Werte vernichtet. Zahlreiche fahrtüchtige Autos, die einfach verschwinden. Desweiteren handelt es sich beim größten Teil der Neuzulassungen einfach um zeitlich vorgezogene Kaufentscheidungen. Die Käufe werden morgen fehlen. So sehr die Opelaner derzeit in Feierlaune sein mögen, wissen sie ganz genau, daß bald schon der große Absturz kommt. Schließlich killt die Abwrackprämie Werkstätten und Gebrauchtwagenhändler, erste Reparaturbetriebe melden bereits bis zu 30 % Umsatzrückgang.

Zu Recht fordern daher die Unionspolitiker Steffen Kampeter und Michael Fuchs, die Abwrackprämie nicht, wie eventuell ab Juni geplant, zu reduzieren, sondern abzuschaffen. In wenigen Wochen seien hier für einige Auserwählte Hilfen geflossen, die der gesamten Unternehmenssteuerreform 2008 entsprächen.
Kurzfristig war die Prämie ein geeignetes konjunkturpolitisches Instrument, für das sich die Koalitionäre gern auf die Schulter klopen dürfen. Doch allmählich beginnen die negativen Folgen zu überwiegen. Daher: Schluß damit!
 
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